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Neuss: Ein Trauerspiel mit langem Vorspiel


Das Ende der Neusser Rennbahn, das Ende einer Tradition von 144 Jahren – natürlich ist das ein Jammer. Wieder verschwindet eine Rennbahn aus der Landschaft, wieder geht etwas verloren. Diesmal war jedoch nicht die Politik wie in Bremen und Frankfurt schuldig. Es war der Neusser Reiter- und Rennverein selbst, der hauptverantwortlich für den Untergang war. 

Keine Strategie, keine Ideen, keine Visionen, kaum Marketing, keine Öffentlichkeitsarbeit – es war ein Trauerspiel, was der Rennverein unter seinem Vorsitzenden Jan Antony Vogel bot. „Schuld hat nicht nur die Politik“, schrieb diese Kolumne im Dezember 2017, „Totengräber“ titelte die Kollegin. Da helfen auch keine Foodtrucks und kein Street Food Festival. Allein die Geschichte mit dem fehlenden Konzept, das die Stadt immer wieder anmahnte und anforderte, zeugt von Ignoranz und Dickfelligkeit. Dass man so auch gut gesinnte Leute aus der Politik verärgert, ist offensichtlich. Bürgermeister Reiner Breuer (SPD) hatte sich schon früh gegen Galopprennen in Neuss positioniert. 
Es ist erstaunlich, was derzeit alles an die Oberfläche kommt. Die Geschichte beispielsweise mit der Flutlichtanlage aus dem Jahr 1995, die immer noch nicht bezahlt ist.
Leid tun mir die Trainer Katja Gernreich und Axel Kleinkorres mit ihren Beschäftigten. Die müssten eigentlich mit Pferden und Mitarbeitern zum 31.12. die Bahn verlassen. Ein echter Schock so kurz vor Weihnachten und in der Praxis kaum zu realisieren. Zum Glück gibt es wohl doch längere Fristen.  

Stetig abwärts  
Der Verlust tut weh, auch wenn ich Neuss nie besonders mochte. Die Kursführung mit der kurzen Zielgeraden, wo Speedpferde kaum Chancen hatten, war nie so mein Ding. Und spätestens seitdem der Neusser Reiter- und Rennverein nur noch im Winter veranstaltete, stieg mein Desinteresse. Anfangs hatten sie ja noch ganz gute Prüfungen wie den Sandbahn Grand Prix. Schon damals aber stand die Bahn auf wackligen Füßen, die Zukunft schien ungewiss.
Später gab es dann fast nur noch Handicaps der unteren Kategorie. Basissport eben, für den es genügend Pferde gibt. Viele Trainer und Besitzer waren froh, dass es diese Rennen gab. Obwohl die Dotierung dürftig war.
In den letzten Jahren veranstaltete Neuss nur noch nach PMU-Vorgaben. Damit sank zwar das wirtschaftliche Risiko, doch die Rennen zu unmöglichen Zeiten fanden vor einer Geisterkulisse statt. 
Es gab vieles, was gegen Neuss sprach: Sportlich das niedrige Niveau und die früh entschiedenen Rennen, weil eben kaum Pferde von hinten nach vorne liefen. Der Zustand der Bahn war besonders bei Regen ziemlich schlecht, man musste nur die verdreckten Pferde und Jockeys nach den Rennen anschauen.
Dazu dieser Millionen-Klotz, der eigentlich nur im Weg stand und der auf einer Rennbahn ziemlich befremdlich wirkt. Eine Tribüne gab es in Neuss nicht, gastronomisch war es auch eher mau, wie man so hörte. Kein Wunder, dass die Besucher ausblieben.
Der Neusser Reiter- und Rennverein wird sich auflösen, das beschloss die Mitgliederversammlung am Donnerstagabend. Wird es zukünftig noch Galopprennen in Neuss geben. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

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