Hein Bollow starb am Montag im Alter von 99 Jahren an den
Folgen eines Schlaganfalls in einem Kölner Krankenhaus. Der deutsche
Galopprennsport verliert eine seiner größten Persönlichkeiten. Bollow war eine
Legende, eine „Lichtgestalt des deutschen Turfs“ – ein Nachruf.
Deutsches Derby 1962 (leider ohne Ton): Hein Bollow siegt mit Herero, sein vierter Derbysieg als Jockey.
Ich bin mir nicht ganz sicher, wann ich zum ersten Mal den
Namen Hein Bollow hörte. Es muss irgendwann in den siebziger Jahren gewesen
sein. Vielleicht in der ARD-Sportschau, als mal wieder Galopprennen mit
Reporter Adi Furler lief und mich das damals eigentlich gar nicht
interessierte. Oder es war an einem langweiligen Sonntag, an dem mangels
Alternativen das live übertragene Deutsche Derby im TV geguckt wurde?
Als Kind waren mir deshalb Namen wie Lester Piggott, Fritz
Drechsler und eben Hein Bollow ein Begriff. Auch weil er einen Namen hatte, den
man sich gut merken konnte. Dass dahinter ein höchst erfolgreicher Sportler –
als Jockey und Trainer von Rennpferden – stand, war mir hingegen nicht so nicht bewusst.
Bollow kennt heute noch jeder Sportinteressierte, der in den
siebziger Jahren groß wurde. Selbst Leute, die nichts mit dem Turf zu tun
haben, wissen, wer er ist. Er ist einer der letzten Vertreter der „Generation
Sportschau“ des Galopps, weil die Öffentlichkeit dank regelmäßiger
Medienpräsenz eben von diesen Top-Leuten wusste.
Als Hein Bollow dann 1988 seine Trainerkarriere beendete,
interessierte ich mich schon sehr für den Galopprennsport. Doch weil diese Liebe
erst Mitte der achtziger Jahre entflammte, sind aus den aktiven Tagen des Hein
Bollow nur Bruchstücke geblieben. Die großartige Stute Alte Zeit etwa mit Peter
Remmert hatte ich im Derby gewettet, sie wurde nur Zweite – Luigi versaute mir
den Treffer.
Später sah ich dann Hein Bollow immer auf diversen
Rennbahnen. Im Absattelring, im Führring, in Köln, Dortmund oder Mülheim – der
kleine Mann war immer dabei, guckte sich die Pferde an, unterhielt sich mit
Jockeys, Trainern, Besitzern und Zuschauern.
TV-Interviews mit ihm waren ein Genuss. Weil Bollow
wunderbar von den alten Zeiten erzählen konnte, als der Galopprennsport
populärer als Fußball war. Der Zuschauer spürte die Magie des alte Hoppegartens
oder des Hamburger Derbys, wo der gebürtige Hamburger große Erfolge feierte.
Über 1000 Siege als Jockey als auch Trainer
Pferde waren sein Leben. „Ich habe früher Reiten als Laufen
gelernt“, erzählte Hein Bollow Traute König, Autorin des wunderbaren Buches
„Laufen muss der Bagge“. „Der Populäre“ betitelte König die Geschichte über ihren
Gesprächspartner.
Schon damals (1996) legte er den Finger in die Wunde: „Wir
haben keine Lobby mehr in den Medien“. Und nannte Peter Schiergen, den heutigen
Trainer und früheren Rekordjockey. So ein Top-Mann verschwinde „im Hintergrund.“ „Und ein
Trainer Jentzsch, der mit seinen Pferden über acht Millionen gewonnen hat, der
31-mal Champion war, der muss doch in der Öffentlichkeit viel bekannter sein.“
Das war vor über 20 Jahren – heute sieht die Situation noch viel, viel
schlechter aus.
1938 gewann er sein erstes Rennen, 1943 – als der Zweite
Weltkrieg tobte – hatte er seinen ersten Derbyritt auf einem Pferd namens
Unerreicht. Der Name war zum Glück nicht Programm: 1953 Allasch, 1954 Kaliber,
1956 dessen Bruder Kilometer, 1962 Herero waren seine Sieger im Deutschen Derby. 1963 hörte er als Jockey auf: 1034 Siege, 13 Championate, 29
klassische Erfolge und 15 Auslandssiege lautete die eindrucksvolle Bilanz.
Es folgte eine ebenso erfolgreiche Trainerkarriere von 1964
bis 1988: 1663 Sieger sattelte Bollow, 163 in Hindernisrennen, 18 im Ausland. 1974
gab es den Trainer-Derbysieg mit Marduk, sein bestes Pferd war vielleicht
Nebos. Aus seiner Trainer-Spätzeit sind mir noch Alte Zeit und Kondor
bewusst.
Auch nach 1988 war Hein Bollow immer präsent und blieb in
der Öffentlichkeit die bekannteste Person im deutschen Galopprennsport. „Wir sind sehr traurig. Eine prägende
Persönlichkeit des deutschen Galopprennsports ist von uns gegangen. Alle
Turf-Freunde verbinden mit Hein Bollow bleibende Erinnerungen. Der Deutsche
Galopp trauert um seine Lichtgestalt“, würdigte ihn Dr. Michael Vesper,
Präsident von Deutscher Galopp e.V.
Zuletzt war er noch bei Stern TV zu sehen, die Geschichte
war in vielen Zeitungen zu lesen – initiiert durch diese großartige Aktion. Die Resonanz war gut: Viele Menschen hatten Hein Bollow geschrieben.
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