Immerhin gibt es noch Pferderennen –
in Hongkong, Schweden, den USA oder Australien auf menschenleeren Rennbahnen.
Die Welt hat in den Zeiten der Corona-Krise dringendere Prioritäten als
Pferderennen oder auch Fußball. Aber auch ein Virtual Grand National ist nur
ein schaler Ersatz für das echte.
So langsam kommen die ersten
Entzugserscheinungen: Galopprennsport und Fußball pausieren derzeit fast
überall. Die Corona-Krise macht es möglich. Natürlich ist die Gesundheit
wichtiger, halte ich die derzeitige Kontaktsperre immer noch für richtig. Aber
bitter ist das schon, so fast ohne Pferde und Fußball.
Definitiv wird es im Galopprennsport
eine Saison wie noch nie geben. Ob in diesem Jahr überhaupt noch Rennen mit
Publikum gelaufen werden, erscheint ungewiss. Im Mai könnte es – die Betonung
liegt auf könnte – in Deutschland und England wieder losgehen.
Ohne Besucher, Geisterrenntage, immerhin besser als nichts.
Aber schön ist es definitiv nicht
– Dortmund an Himmelfahrt vor leeren Rängen etwa, wo sonst Menschenmassen dank
der Freikarten der örtlichen Sparkasse die Rennbahn stürmen. Das Frühjahrs-Meeting
in Iffezheim ohne Zuschauer, die Derby-Woche in Hamburg auf einer Geisterbahn
– es gibt angenehmere Dinge im Leben eines Galoppsport-Enthusiasten. Aber
besser als nichts, die Prüfungen sind für den deutschen Rennsport lebensnotwendig.
Am Mittwoch konnte ich es dann doch
nicht lassen und habe mir Rennen in Sha Tin (Hongkong) und Axvalla (Schweden)
angeschaut. Es war gespenstisch. Die Veranstaltungen auf den
Hongkong-Rennbahnen Sha Tin oder Happy Valley kenne ich nur mit vollbesetzten
Zuschauerrängen. Es ist quirlig und hektisch selbst an einem Renntag in der
Woche. Und diesmal: Pferde und Jockey waren da, die Pferdeführer mit
Mundschutz, viele Trainer und Besitzer ebenfalls, aber ansonsten leere Ränge.
Keine Ahnung, wie viele Zuschauer an
einem Mittwochnachmittag im schwedischen Axevalla wären. Viele würden es nicht
sein, obwohl Trabrennen in Schweden populär sind. Aber auch hier sind die
aktuellen Bilder trostlos.
Der virtuelle Tiger Roll
Heute wäre unter normalen Umständen der zweite Renntag des Grand National-Meetings
in Aintree bei Liverpool. Wenn ich mir die Bilder von 2019 ansehe,
schaue ich auf vollbesetzte Tribünen. Lostintranslation hatte in der Mildway
Novices‘ Chase (Grade 1) den Favoriten Topofthegame besiegt, 35 Minuten später
feierte Min einen imponierenden Erfolg gegen Politologue in der JLT Chase (auch
Grade 1). Über die National-Hindernisse in der Topham Chase hieß der Sieger
Cadmium. Und das Grand National 2019 stand einen Tag später auf dem Programm.
2020 wird es bekanntlich kein Grand
National-Meeting geben. Kein Tiger Roll, der seinen dritten Erfolg in Serie
feiern könnte. In den Jahren des Zweiten (kein Meeting 1941 bis 1945) und
Ersten Weltkriegs (keine Veranstaltung zwischen 1916 und 1918) fiel das Grand
National aus.
1993 erklärten die Verantwortlichen das Ergebnis nach einem Fehlstart ungültig; 1997 musste der Kurs nach einer Bombendrohung der irischen IRA
geräumt werden musste. Das Rennen wurde zwei Tage später an einem Montag
gelaufen.
Aber die Engländer wären nicht die
Engländer, wenn sie nicht einen Ersatz geschaffen hätten für dieses Ereignis,
das immer noch tief in der englischen Gesellschaft verankert ist. Nicht zu
vergessen, dass es ein gigantisches Wettgeschäft für die Buchmacher ist und
denen dieser Umsatz nun verloren geht.
So wird das Virtual Grand National gelaufen, eine
Computersimulation des berühmten Rennens. Der Sender ITV überträgt und vielleicht ist das
ja auch in Deutschland zu sehen. Diese Simulation gab es schon die Jahre zuvor,
das Ergebnis kam oft nah an die Realität heran. Also Tiger Roll zum Dritten?
Klingt spannend, aber ein Ersatz für das Echte ist es eben nicht.
Das virtuelle Grand National 2017
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