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Tiger Roll: Schon jetzt eine Legende



Im virtuellen Grand National reichte es „nur“ zu Platz 4, aber das war ja bekanntlich nicht das wahre Leben. Tiger Roll wollte 2020 als erstes Pferd das Grand National in Aintree dreimal in Folge gewinnen. Dass es nicht klappte, lag nicht an ihm. Die Corona-Krise legte den Rennsport brach, auch das Grand National-Meeting fand nicht statt. Was nichts daran ändert, dass Tiger Roll ein großartiges Pferd ist. Mit einer Karriere voller Höhen und Tiefen.


Es waren ergreifende Szenen, die sich im letzten April im irischen Summerhill im County Meath abspielten. Tausende waren – wie schon 2018 – an diesem Sonntag nach dem Grand National dabei, als Tiger Roll durch den Ort paradierte. „Es ist so emotional, es ist das größte Rennen der Welt. Jeder wird sich an Tiger Rolls zweiten Sieg nacheinander erinnern“, sagte Trainer Gordon Elliott nach dem erneuten Triumph seines Pferdes. Zuletzt hatte das Red Rum geschafft, an den inzwischen eine Statue auf der Rennbahn in Aintree erinnert. 
Für viele Beobachter war der Erfolg 2019 von Tiger Roll eine der besten Leistungen im National seit langen Zeiten. Mit hohem Gewicht hatte der Elliott-Schützling die Nächstplatzierten Magic Of Light und Rathvinden locker im Griff.
Er kenne kein Pferd, hatte sein erneuter Siegreiter Davy Russell schon vorher erzählt, das vergleichbar sei. Auch weil Tiger Roll so ökonomisch springe und keine Unterschiede zwischen Hürden-, Cross Country- und Jagdrennen kenne. „Er ist nicht gezogen für das Grand National, er hat nicht die Statur, aber er hat das Herz und die Maschine“, meint Gordon Elliott. 
Im März und April 2019 war der Authorized-Sohn blendend auf dem Posten. Die Cross Country Chase gewann er mit 22 Längen Vorsprung, Rennkommentator Ian Bartlett sprach von einem „Cheltenham inmortal“.
Eigentlich war für Tiger Roll eher eine Flachkarriere vorgesehen: Ein Sohn des Epsom-Derbysiegers Authorized, die Mutter Swiss Roll platziert in Listenrennen, die Geschwister Ahzeemah und Austrian School waren gute Flachpferde – doch in den berühmten blauen Godolphin-Farben lief er nie. Hindernistrainer Nigel Hawke kaufte Tiger Roll dreijährig, Kaufpreis 10000 Pfund.  

Triumph und erste Zweifel

2013 gewann er bei seinem Debüt als 12/1-Chance in Market Rasen, für seinen Trainer war das hingegen keine große Überraschung. „Unser Plan war allerdings nie, ihn zu behalten“, erzählt Hawke. 
Michael O’Learys Gigginstown House Stud kaufte den Wallach für 80000 Pfund. Nur Jockey Mick Quinlan war sauer, erinnert sich Hawke, weil er dachte, Tiger Roll wäre eine „Maschine“.
Er kam zu Trainer Gordon Elliott nach Irland und gewann 2014 die Triumph Hurdle in Cheltenham. Später folgte noch ein Sieg im Oktober in Cheltenham, doch dann war der Faden gerissen. Beim nächsten Rennen wurde er angehalten, es folgten schwache Leistungen in allerdings sehr guter Gesellschaft.
Zweifel tauchten auf: „Ist er gut genug für die nächste Saison?“, fragte Elliott. Ein weiteres „vergessenes Pferd aus der Triumph Hurdle“, dachte der Racing Post-Journalist Alan Sweetman. Tiger Roll pausierte zwischen Mai 2015 und März 2016. Nun kam Jockey Keith Donoghue ins Spiel. Donoghue beschäftigte sich intensiv mit dem Wallach, schulte ihn über die großen Sprünge. „Keith hat großen Anteil an seiner Wiedergeburt“, sagt Eddie O’Leary, Racing Manager seines Bruders Michael. „Auch Gordon Elliott verlor nie das Vertrauen in ihn“, meint Davy Russell.  

Wiedergeburt

Im Mai 2016 begann die Steepler-Karriere des Tiger Roll. Es war ein mühsamer Prozess des Lernens auf Provinzbahnen wie Ballinrobe, Kilbeggan oder Killarney. Sein größter Erfolg in dieser Zeit war Platz 1 im Munster National Handicap über drei Meilen. Die Quote von 20/1 zeigte jedoch, dass er als Außenseiter an den Start kam.
Auf der großen Bühne Cheltenham tauchte der Wallach im März 2017 wieder auf, als er die National Hunt Chase für Amateure mit Lisa O’Neill über lange vier Meilen gewann. Stehvermögen schien seine neue Stärke zu sein, sprungtechnisch gab es noch einiges zu verbessern.
Auch danach folgten mehr mäßige als gute Leistungen. Dass Tiger Roll dank der unermüdlichen Arbeit im Elliott-Quartier ein viel besseres Pferd wurde, sah die Turfwelt erstmalig in der Cross Country Chase 2018 in Cheltenham: Platz Eins und damit Erfolg Nummer Drei beim Festival.
Das Grand National 2018 war dann eine Demonstration dieser neuen Stärke, auch wenn Pleasant Company noch näher kam. Aber wie der eher schmale Tiger Roll die großen Hindernisse meisterte, imponierte.

Es folgten in der Saison 2018/2019 unter anderem die großen Siege wieder in Cheltenham und Aintree; Tiger Roll war auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Dann kam ein Rückschlag im November 2019, in Cheltenham im März in der Cross Chase unterlag er einem sehr guten Pferd auf zu weichem Boden.
„Er könnte viel für die Popularität von Pferderennen tun, wenn er zum dritten Mal gewinnt“, sagte Alan Sweetman vor Tiger Rolls drittem Versuch. Doch es kam das Corona-Virus, alle Rennträume zerschellten an diesem Hindernis. Aber immerhin will ihn Gordon Elliott für das Grand National 2021 vorbereiten – dann wäre der Wallach 11 Jahre. Den Status einer Legende hat er indes schon.

Quelle u.a: die Dokumentation Tiger Roll: Horse of a Lifetime  
 


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